Never stop
Mittlerweile ist tatsächlich schon die Hälfte meiner Zeit hier vergangen, was mir definitiv Anlass genug ist, kurz Zwischenbilanz zu ziehen und die vergangene Zeit ein wenig zu reflektieren - auch wenn es mir sehr schwer fällt das Erlebte in Worte zu fassen. Mit der Idee "etwas Gutes zu tun" und "da unten zu helfen" bin ich in den Freiwilligendienst gestartet, fühlte mich gut vorbereitet und bereit zu helfen. In Namibia angekommen haben sich alle meine Vorstellungen um 180Grad gewendet und ich wurde eines Besseren belehrt. Ich habe, häufig durch den nicht einfachen Austausch mit Organisation, Projektpartnerin, Projektstelle, den Menschen vor Ort oder auch beim Reisen, viele meiner Sichtweisen umgekrempelt. Mittlerweile weiß ich, ich kann und sollte hier niemals die Welt verändern, wohl aber in den Austausch treten kann, um zu erkennen, wie unglaublich viele Vorurteile in unseren Köpfen herrschen und dass globale Probleme eben überall zu finden sind, auch in Deutschland. Auch sehe ich nun einen Freiwilligendienst deutlich kritischer, besonders da viel häufiger ein Nord- Süd Austausch stattfindet und es schwer ist die gewünschte "Augenhöhe" zu erreichen" (wie wäre es z.B. einen erfolgreichen Businessman aus Namibia zur Tafel in einen Vorort Berlins zu schicken? Und wieso erscheint uns diese Idee befremdlich?) Ich habe zum ersten Mal das Gefühl kennengelernt fremd zu sein, aber nach einer gewissen Zeit auch herzlich und menschenwürdig aufgenommen zu werden. Ich hinterfrage nun viele mir damals selbstverständliche Dinge - beispielsweise was meine Herkunft bedeutet, welche Privilegien ich habe ohne etwas dafür getan zu haben, den (auch momentan in deutschen Medien häufig auftauchenden) Begriff "Heimat" und meine Sichtweisen durch Sozialisation und interkulturelle Zusammenhänge. Es gibt keine machtvollere Position, als sich nur als Mensch zu sehen und zu bestimmen was die Norm und was "Anders" ist . - critical whiteness Ich bin mir über viele Dinge aber weiterhin noch komplett im Unklaren und weiß auch, dass es wohl ein lebenslanges Lernen ist. Ich hoffe die restliche Zeit hier im Projekt weiterhin einen toleranten Umgang mit Allen zu pflegen und herauszufinden, wie die Sicht der Schwestern auf uns Freiwillige ist. Ich kann mir vorstellen, dass wir für sie auch einen Haufen Arbeit bedeuten. Neben solch komplexen Dingen, bin ich aber auch froh, die landestypischen Gerichte, Lieder oder auch die Umgebung kennenzulernen. Das war bis jetzt definitiv immer super spannend (wenn auch mein Geschmack nicht immer getroffen wurde) und bereichernd. Viele der Menschen und Kinder hier sind mir schon ans Herz gewachsen und ich möchte mich momentan noch nicht wirklich mit dem Thema Abschied befassen - habe ich doch gerade das Gefühl, langsam anzukommen. Mir ist es aber auch wichtig zu betonen, dass diese Sichtweisen ausschließlich auf meinen Erfahrungen beruhen - und meine Projektpartnerin oder die Schwestern oder Kinder hier wahrscheinlich was ziemlich Anderes erzählen würden. Allerdings habe ich trotzdem das Gefühl, dass uns Alle viel mehr Dinge - wie dem Streben nach Zufriedenheit und einem erfüllten Leben - verbinden, statt zu Trennen. Ich freue mich weiterhin auf die kommenden Wochen, die spannend werden, sich aber auch sicherlich zwischendurch ziehen werden. Da tut etwas Abwechslung gut. Die hatten wir letzten Freitag, da wir im Kindergarten einen Elternsprechtag hatten. Wir wollten uns den Eltern der Kinder vorstellen, erklären warum wir hier sind und auch von ihnen hören, was ihre Kinder so erzählen oder schlichtweg Fragen beantworten. Dazu haben wir sie Freitag morgens zu einem Treffen eingeladen, viel vorbereitet, organisiert und dekoriert und waren sehr erleichtert, dass es positiv aufgenommen wurde. Es wurde sehr interessiert nachgefragt und ich hatte das Gefühl, uns wurde Respekt entgegen gebracht, wenn auch einige Eltern skeptisch wegen einiger unserer Sichtweisen waren. Allerdings wurde auch viel auf Oshiwambo diskutiert, da manche Eltern so deutlich leichter mitsprechen konnten. Zu unserem Glück hat sich ein Vater bereit erklärt Alles zu übersetzen, was definitiv einfacher war. Allerdings war es ein seltsames Gefühl, zu wissen, dass gerade über uns geredet wird und wir als einzige nichts davon verstehen oder wenig mitreden können (Oshiwambo ist eine schwere Sprache). Tatsächlich haben die Eltern sogar schon über eine mögliche Abschiedsfete im Juli für uns gesprochen, um so ihre Dankbarkeit zu zeigen, was ich wirklich super überraschend aber auch sehr schön fand. Wir haben nochmal besonders den Schwestern gedankt, die uns so freundlich unterstützen und betont wie toll es uns hier mit den Kindern gefällt. Insgesamt haben wir viele neue Eindrücke von den Eltern bekommen und hatten ein schönes Beisammensein. Heute ist das erste drittel des Schuljahres geschafft - das bedeutet auch Ferien! Für uns geht es auf eine Rundreise durch das Land - bis wir dann Ende Mai für unsere letzte Projektphase bis August zurück kehren.
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August 2018
AutorMarie Griggel |